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Neid und Missgunst

Mein Vater war jahrelang Kirchenpfleger unserer Kirchengemeinde. Das klingt zwar, als hätte er jede Woche das Weihrauchfässchen abgespült, bedeutet aber im Prinzip, dass er der Kassenwart der Kirchengemeinde war.

Er hat auch immer das Geld aus der Kollekte gezählt, und natürlich auch bei besonderen Sammelaktionen, darunter auch die Beute, die die Sternsinger mit nach Hause brachten. Ich habe ihm dabei manchmal geholfen – das war in den späten Neunzigern/frühen Zweitausendern. Ich erinnere mich an ein Jahr, das muss 2001 oder 2002 gewesen sein, da hatten wir die Sternsingerspenden von drei Tagen auf dem Küchentisch. Mein Vater wollte es nicht über das Wochenende zu Hause haben, und vor dem Gang zur Sparkasse zählten wir es.

Über 50.000 Euro.

Der Ertrag von nur drei Tagen.

Ich war total fasziniert davon, wie viel Geld die Leute spendeten. Es hieß ja auch damals schon, „die Leute“ würden immer spendenunlustiger. Schwachsinn. Ich habe das aus Interesse ein bisschen mitverfolgt, so lange mein Vater das gemacht hat, und es wurde JEDES Jahr mehr gespendet als im Jahr vorher.  Sternsinger, Misereor, alles – jedes Jahr war es mehr.

Und das liegt weiß Gott nicht daran, dass die Gemeinde besonders groß oder besonders wohlhabend war. Das ist eine ganz normale katholische Gemeinde in einer ganz normalen evangelischen Gegend, mit damals vielleicht 1.500 Mitgliedern – die bestimmt nicht alle in die Kirche gingen.

Ich habe keine Erkenntnisse darüber, ob das meiste Geld in kleinen Portionen von Einzelportionen gespendet wurde, aber ich weiß eines: Viele Familien und viele Einzelpersonen gaben horrende Summen, an Weihnachten, den Sternsingern, für Misereor. Das war leicht zu erkennen, weil das Geld in einem Umschlag war mit dem Namen drauf – das brauchte mein Vater ja, um ihnen eine Spendenquittung auszustellen. In dem Umschlag war dann beispielsweise ein 500-Euro-Schein, so etwas hatte ich damals noch gar nicht gesehen.

Was ich mit dieser Geschichte sagen will: Spendenunlust, my arse.

Wie ich gerade heute darauf komme, fragt ihr? Ganz einfach. Ich habe schon öfter mal war über manomama gebloggt, etwa hier. Heute hat Sina auf eine Frau in einer Notlage aufmerksam gemacht und, weil sie ebenso schnellentschlossen wie großherzig ist, direkt eine Spendenaktion gestattet.

Auf Twitter habe ich dann in der Timeline eines Freundes verfolgt, wie eine andere Twitteruserin meinte, man solle doch bitte lieber für was Besseres spenden, und nicht für eine arbeitsfähige Frau und ihre vier erwachsenen Kinder.

Eine Frau und ihre vier Kinder, die übrigens, falls ihr dem Link oben nicht gefolgt seid, ihr Haus unter Umständen verlieren werden. Ihr Zuhause.

Das war seit langer Zeit das erste Mal, dass ich mich nicht im Fernsehen, sondern auf Twitter fremdgeschämt habe. Natürlich müsst ihr nicht für die Frau spenden, wenn ihr nicht wollt. Aber dann kommt doch bitte nicht mit so einer ARSCHPEINLICHEN Kackargumentation wie der  hier:

[…] Sie will keinem zur Last fallen. Da ist das appellieren ans Mitleid natürlich was ganz anderes. Eben ehemalige Event-Kauffrau… […]Liebe Gutmenschen, wenn ihr helfen wollt, geht auf die Straße und seht mal genau hin; oder engagiert euch in sozialen Einrichtungen. Da findet ihr Menschen, denen es an Grundsätzlichem fehlt. Dazu gehört allerdings _nicht_ eine Hausrettung für 4 volljährige „Kinder“ und deren nicht kranke oder behinderte Mutter – also arbeitsfähig. […]

Mal ehrlich: Ist es wirklich sinnvoll, wenn alle Kinder (alle im bzw. vorm Studium oder in der Lehre) ausziehen und sich selbst was suchen?

Die Mutter kann sich klar eine neue Arbeit suchen – 57-Jährige werden ja bekanntermaßen immer gesucht auf dem Arbeitsmarkt. Scheiße, ich war mit 27 arbeitslos, und hab da schon kaum was gefunden!

Vor Jahren habe ich mal in einem Interview – mit einem Star, den ich natürlich prompt vergessen habe, und seinem besten Freund – einen Ausdruck kennengelernt, der mir sehr gut gefällt: Weißer Neid. Der soll angeblich aus dem Russischen kommen, und es bedeutet, dass man jemanden hass- und ränkelos um etwas beneidet.

Das kann ich gut verstehen. Ich beneide viele Leute um vieles: Bessere Frisur. Mehr Bücherregale. Schicke Duschkabine. Leidensfähigkeit im Hinblick auf hohe Schuhe. Talent für Salatdressings. Selbstbewusstsein. Geld … darum beneide ich fast jeden. Beneiden bedeutet, dass man etwas selbst auch gern haben möchte, was ein anderer hat.

Was ich nicht habe: Missgunst. Das bedeutet, dass man anderen nichts gönnt. Zum Beispiel wenn man meint, eine Familie habe es nicht verdient, dass ihr in einer schlimmen Lage geholfen wird.

Wir haben alle das Recht auf unsere eigene Meinung. Ihr könnt meinen, dass ihr lieber für andere Sachen spendet, oder gar nicht. Ihr könnt aus Mitgefühl spenden, aus Menschlichkeit, weil ihr nicht wisst wohin mit eurem Geld, oder ihr macht es wie ich und spendet, weil euch denkt „Vielleicht bin ich einmal in der gleichen Situation, und dann will ich mich nicht meines Geizes schämen müssen“. Ihr habt das Recht auf eure Meinung, egal wie sie aussieht.

Und ich habe das Recht auf meine Meinung. Und ich meine, dass die Alte einen an der Waffel hat und sich mit ihren Äußerungen als missgünstige Wohlstandswichserin geoutet hat.

You have mail. Na ja, nicht ihr, aber ich.

Am Donnerstag hatte ich mal wieder das Vergnügen, auf der Post eine Briefsendung abholen zu dürfen (war eh wieder so eine Geschichte …).

Ich sag nicht viel dazu, ich zeig euch nur die Bilder.

Anmerkung: Zum Größenvergleich habe ich meinen Kindle hingelegt. Wer es nicht weiß: Der Kindle ist etwa so groß wie ein handelsübliches Taschenbuch, viellicht einen Zentimeter höher.

Die Schachtel von außen:

Und von innen:

Ja, das ist eine einzelne Oral-B-Aufsteckzahnbürste.

Weihnachen steht vor der Tür

JA, ICH HABE WEIHNACHTEN GESAGT. Stellt euch net so an.

Ich habe diese Woche viel über Weihnachten geschrieben. Am Donnerstag sogar 4.875 Wörter, worauf ich schon ein bisschen stolz bin. Jedenfalls ist mir dabei so einiges klar geworden:

1. Es sind nur noch 90 Tage bis Weihnachten und ich habe noch keinen Geschenkeplan und auch keine Verpackungsstrategie.

2. Ich werde heute Plätzchen backen, muss dafür aber erst noch ein Nudelholz kaufen (und wo wir schon dabei sind, ich habe auch keine Auflaufform. Aber ein Zuckerthermometer. Manchmal würde ich mir wünschen, das Geschöpf in meinem Hirn wäre praktischer veranlagt.).

3. Ich überlege jetzt schon, wie mein diesjähriger Adventskranz ausschauen soll. Ich tendiere dabei zu einem sehr klassischen dicken Tannenkranz. Mit weißen Kerzen. Oder rot. Oder halt Bienenwachs, das wäre super. Verdammt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch an den Adventsgesteckshowdown 2009 erinnern.

4. Ich will eine schöne Weihnachtspyramide haben und einen Schwibbogen mit klassischem Bergmann-Holzschnitzer-Spitzenklöpplerin-Motiv.

5. Natürlich alles mit echten Kerzen. Eh klar.

6. Ich finde es klasse, was ich in meinem Job alles kennenlerne. Stille Feiung. Größe der Resorptionsoberfläche des Dünndarms (180m² – dreimal so groß wie meine Wohnung!)*. Dass man chronisch entzündliche Darmerkrankungen wohl recht erfolgreich durch eine Infektion mit dem Schweinepeitschenwurm behandeln kann (Parasit, Autoimmunhintergrund, die alte G’schicht.). Dass, und das bringt uns zurück zu Weihnachten, das Sehen oder Hören des Segens Urbi et Orbi denjenigen, die „guten Willens“ sind, einen Ablass von ihren Strafen gewährt. Das gilt aber, if memory serves, nur für zeitliche Strafen, quasi Penalty. Gebeichtet und gebüßt muss man aber schon vorher haben.

7. Apropos Urbi et Orbi: Ich habe den Text des Segens (lateinisch und deutsch) in meinen Text mit eingebettet, mit den korrekten Antworten an der jeweiligen Stelle („Antwort: Amen.„). Das wiederholt sich einige Male, und am Ende musste ich mich sehr zusammenreißen, weil ich gerne geschrieben hätte:

Der allmächtige und barmherzige Herr gewähre euch Nachlass, Vergebung und Verzeihung all eurer Sünden, einen Zeitraum echter und fruchtbarer Reue, ein allzeit bußfertiges Herz und Besserung des Lebens, die Gnade und die Tröstung des Heiligen Geistes und die endgültige Ausdauer in den guten Werken.

Alle: Amen.

Und der Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes komme auf euch herab und bleibe bei euch allezeit.

Und alle so: Yeeeeah!

The Internet has a lot to answer for.

Ach ja, und auf dem Heimweg heute morgen habe ich eine blau-schwarz gefleckte Nacktschnecke gesehen, die fast so lang war wie mein Fuß (Schuhgröße 37). Das war am Eck vor dem Altenwohnheim. Ich denke, die lauert den alten Leuten auf.

Ein paar Schritte weiter habe ich eine auffällig rot-schwarz geringelte Schnecke gesehen. Gesehen habe ich sie deshalb, weil sie sich bis auf meine Augenhöhe an der Hauswand (Rauputz) emporgeschleimt hat. Eine ziemliche Leistung, finde ich.

*Übrigens ist der Dünndarm mit allem Zipp und Zapp laut Wikipedia gute drei Meter lang, der Dickdarm  rund 1,5 Meter, bei einem Durchmesser von sechs Zentimetern. Ich kann mir vorstellen, wie das in mich passt – aber wie stopft die Natur das in schlanke Leute?

Warum alles scheiße ist (außer UPS)

Wie ihr vielleicht wisst, habe ich eine Dreizimmerwohnung. Das dritte Zimmer läuft bei Familie und Freunden unter „Fetischzimmer“. Es ist eher klein (zwei Meter breit) und, wie man’s mit arg kleinen Räumen gern macht, dunkelrotviolettschwarz gestrichen.

Ich habe ewig hin und her überlegt, ob ich das tapeziere oder streiche. Meine Wahl ist vorletzte Woche auf Streichen gefallen, aus einem einzigen Grund: Streichen krieg ich auch allein gut hin, beim Tapezieren bin ich mir da nicht so sicher. Wink des Schicksals: Einen Tag nach dieser Entscheidung habe ich den Aldi-Prospekt für diese Woche bekommen – ab heute ist Farbe im Angebot (Premiumweiß, laut Öko-Test 4/2008  „sehr gut“, 11 Liter, 11,99 €).

Bei diesen ganzen Aldilidlnorma-Angeboten muss man sich ja ranhalten, damit man was abkriegt. Deswegen bin ich heute morgen auf dem Weg zur Arbeit zum Aldi und hab die Farbe und zwei Fertigsalate für heute und morgen mittag gekauft. Außerdem noch andere sortierte Nötigkeiten.

Oh, wer’s nicht weiß, ich habe kein Auto. Nur Fahrrad. Auf das habe ich den Farbeimer geladen – es ist erstaunlich, was das für eine Unwucht gab – und bin zum Büro geradelt. Bis daher ist es gutgegangen, wie ein Freund meiner Familie zu sagen pflegte.

Direkt vorm Büro riss die Glückssträhne. Der Eimer ist auf den Boden gefallen und aufgeplatzt (wer hätte auch gedacht, dass Farbeimer sowas nicht überleben?!). Aber keine Panik, nix befleckt gewesen. Also außer meinen Schuhen und meiner Jeans und meinem T-Shirt und meiner Handtasche und dem Fahrrad. Okay, und dann war da halt noch die Farblache von Größe des Bodensees.

Ich kürze jetzt episches, hektisches, wirres, mehrfaches Telefonieren mit Hausverwaltung und Hausmeisterdienst ab. Viertel nach zwölf kamen zwei Handwerker/Reinigungsprofis, die die Farbe weggeschrubbt und gewaschen und den Siff mit dem Nasssauger aufgesaugt haben. Ich habe ihnen fünf Arbeitsstunden quittiert. Die sie dem Hausmeisterdienst in Rechnung stellen werden, der sie wiederum mir in Rechnung stellen wird. Meinerseits hoffe ich, dass auf meine Haftpflichtversicherung abwälzen zu können.

Natürlich musste ich den aufgeplatzten Eimer – in zwei Lagen Gelbe Säcke verpackt –  dann besonders vorsichtig heimschaffen, sprich: das Fahrrad schieben und durch große Muskelanstrengung die ganze Chose sehr gerade halten, damit nicht nochmal was abstürzt.

Auch klar, dass ich die anderen Einkäufe im Büro habe stehen lassen.

Auch klar, dass ich danach nochmal zum Aldi bin, um einen frischen Eimer Farbe zu holen (auch wieder mit Heimschieben deluxe).

Auch klar, dass ich in meinem Geisteszustand eine Halbfettmozzarella erwischt habe.

Auch klar, dass es auf dem Heimweg geregnet hat.

Auch klar, dass ich mir unterwegs die linke kleine Zehe aufgerieben habe.

Aber ich will nicht nur nörgeln. Der Fleckwegschrubber war der gleiche Mann, der diese Woche schon mal da war und die Aufkleber des Vormieters von den Bürotüren geschrubbt hat. Und den ich da schon ganz toll fand. Sieht aus wie John Hannah, nur kleiner, kräftiger, und dunkle Haare. Aber sonst GENAU wie John Hannah. Im Gegensatz zu John Hannah hat der jetzt aber meine Adresse und meine Handynummer.

Als ich meinem John Hannah so die besagten fünf Arbeitsstunden quittierte, blutenden Herzens, aber überdurchschnittlich trockenen Auges, sehe ich den UPS-Boten nahen. Ich sehe auch, dass er nicht wie sonst mehrere große Pakete hat, sondern nur ein kleines. Ich frage also, ob das nur das kleine leichte Paket ist, weil ich das dann ja auch mit ins Büro nehmen kann, da muss er ja nicht den ganzen Weg runter gehen. Kommt er so vertraulich an mich ran, lehnt ein bisschen rüber und fragt: „Wo wohnen Sie denn?“

Ich: „Äh …Römerstraße …“

Er: „Nummer?“

Ich: „15 … wieso?“

Er: „Dann ist die Benachrichtigungskarte in Ihrem Briefkasten hinfällig!“

Lächelt breit, und zaubert das kleine Paketchen hinter seinem Rücken hervor. Hat der Gute mir mein Privatpaket ins Büro gebracht! Dabei hatte der sonst gar nix für uns. Ich hätt ihn abknutschen können, aber ich wollte ja nicht, dass John Hannah mich für eine Schlampe hält.

Auch klar, dass ich das Paket im Büro vergessen hab, oder?

Kurzer Zeitsprung zurück: Damit ich überhaupt zum Fünf-Stunden-Quittieren rausgekommen bin, haben mich meine Kolleginnen rausgeschickt, mit den Worten „Du sollst mal zu dem jungen Mann rauskommen!“

Ich gehe also raus, und da steht an der Eingangstür so ein Mann, der auch irgendwie zum Haus gehört, jedenfalls hat der neulich irgendwas für/mit/gegen unsere Leuchten unternommen. Ich sage also ganz fröhlich und ohne Hintergedanken: „Soll ich zu Ihnen? Meine Kollegin hat gesagt, ich soll zu dem jungen Mann!“

Er, erstaunt, aber erfreut: „Ach … nö … nicht dass ich wüsste!“

Ich mach mich auf dem Weg zu John Hannah, rufe Jungem Mann Nr. 2 zu: „Gut, dann mach ich erst den anderen, und dann komm ich zu Ihnen!“ und ernte damit ein fröhlich-freundliches Lachen.

Auf dem Rückweg komm ich wieder an ihm vorbei (später stellte sich auf lästige Weise heraus, dass der an unserer Türklingel zugange war), er reißt mir die Tür auf und herrscht seinen Hiwi an, er solle mir aus dem Weg gehen. Ich bedanke mich artig und gehe hinein. Da sagt er mir, immer noch mit so einem beseligten Schmelz in der Stimme, wie nett das von mir war von wegen „junger Mann„.

Darauf kann man ja nicht viel sagen, außer „Wieso? Sie sind doch keinen Tag älter als 35!“  Was auch genau das ist, was ich gesagt habe. Da hat er geschnurrt wie ein zufriedener Kater, was viel von diesem blöden Tag wettgemacht hat. Und ehrlich, ich könnte nicht sagen, wie alt der ist – könnte sportliche Endvierzig sein, oder ein hart geritttener Enddreißiger.  Haupthaar trägt er sehr kurz rasiert, was mir ja immer gut gefällt.

Apropos garnix, wir haben auf der Arbeit jetzt ein Zeiterfassungssystem. Funktioniert mit Fingerscan. Ich habe die Nummer 0001. Beim Ein- und Auschecken summe ich jedesmal ganz leise die Mission-Impossible-Melodie vor mich hin und hoffe, dass mich niemand dabei erwischt.

Personenpapierrage

Ihr Lieben. Ich habe heute im Ärzteblatt, dieser Sickergrube der fesselnden Trivialmeldung, eine Meldung über die neuen Gebühren für Personalausweise und Reisepässe gelesen. Die Meldung ist schon von Freitag, ihr wisst zweifellos schon Bescheid, ich wusste es nicht, jetzt tun wir also mal so als wäre das für euch auch neu.

So, die Meldung in Gänze:

BERLIN (dpa). Die Gebühren für den neuen elektronischen Personalausweis stehen fest. Für das neue Dokument müssen künftig 28,80 Euro bezahlt werden. Für unter 24-Jährige kostet der Ausweis nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Freitag 22,80 Euro. Entsprechende Änderungswünsche des Bundesrates seien jetzt in die Gebührenordnung eingearbeitet worden.

Der Ausweis im Scheckkkartenformat wird am 1. November eingeführt. Er enthält einen Chip zur elektronischen Identifizierung. Derzeit kostet ein Personalausweis 8 Euro.

So. Das lassen wir uns jetzt mal auf der Zunge – oder, wer’s lieber mag, auf dem Seelenpansen – zergehen. Ich muss also in Zukunft (mein Personalausweis läuft im Mai 2013 ab, ein bisschen Schonfrist hab ich also noch; Reisepass ist letztes Jahr abgelaufen) gottverdamme 28,80 Euro bezahlen für etwas, das ich haben MUSS. Das kann ich mir nicht aussuchen, der Staat sagt mir, ich MUSS einen Personalausweis oder einen Reisepass haben. Und dafür darf ich zahlen.

Damit die Angestellten in den Stadt- und Gemeindeverwaltungen, die ich ja eh von meinen gottverdammten Steuern bezahle, etwas machen, was sowieso zu ihrer gottverdammten Arbeit gehört.

Gedruckt werden die kleinen Schätzchen in der Bundesdruckerei. Die Bundesdruckerei nennt sich zwar noch protzig so, gehört aber schon lange nicht mehr dem Staat. Aber auch zu den echten Bundesdruckereizeiten hat ein Personalausweis oder Reisepass Geld gekostet. Nur war es damals nicht so frech teuer.

Und dieser Personalausweis, und dieser Reisepass, die ich ja mit Geld bezahlt habe – die bleiben Eigentum der Bundesrepublik Deutschland.

Leck mich am Arsch. Nervt das denn keinen außer mich?

Und wenn ich schon grad mal dabei bin: Ich muss den Personalausweis oder Reisepass auch nicht „mitführen“.  Ich muss einen besitzen. Mitführen muss ich den nur in besonderen Fällen, zum Beispiel wenn ich eine Waffe bei mir trage (dann brauche ich auch noch einen Waffenschein). Ich denke mir mal, auch beim Autofahren brauche ich einen Nachweis, vermutlich reicht aber der Führerschein. Vermutlich.

Ach, und obwohl ich keinen Ausweis mitführen muss, kann ich zur Not festgehalten werden, wenn ich keinen dabei habe, sagt mir die Wikipedia gerade. Ja nee, is klar.

Ergänzung am 10. August: Meine kommentierfreudige, aber kommentarformularscheue Freundin Johanna hat mir erzählt, welchen Aufwand sie und ihr Mann (die Familie lebt aktuell in den Vereinigten Staaten) letztes Jahr treiben mussten, damit die Kinder zu ihren Reisepässen kamen:

Unsere Kinder brauchten letztes Jahr neue Reisepässe – da kommen wir ja nicht drum rum.

Reise nach Houston (ab 6 Jahren muss man persönlich hin, wegen der Fingerabdrücke), Hotel, Kosten für die Pässe, frankierter Umschlag, damit wir nicht zum Abholen noch mal… machen wir ja alles mit.

Aber dass ich bei einer kostenpflichtigen Hotline anrufen muss, um als deutsche Staatsangehörige einen Termin zu vereinbaren, damit wir zur Beantragung der Pässe vorsprechen dürfen – das war bitter. Das hat in etwa 5 Minuten gedauert und 25 Dollar gekostet.

Man sieht: Woanders geht es auch beschissen nervig zu. Die deutsche Verwaltung schlägt auch im Ausland derb zu.