Meine erste Onlinetätigkeit des Tages ist normalerweise der Blick in meinen Google Reader. Heute fiel mir beim Aufrufen der Seite natürlich als erstes das Googledoodle ins Auge: Es ist Weltfrauentag.
Ich bin ein großer Fan der Googledoodle. Das bedeutet nicht, dass mir jedes Doodle gefällt, aber ich mag den Gedanken dahinter, dass man manche Tage auch optisch hervorhebt. Heute allerdings machte sich leichtes Missfallen breit, das dann später zu mittlerem Missfallen anschwoll. Weshalb? Deshalb:
Hübsch, oder? Da haben sie ganz findig mal das hässliche Männerblau gegen schön weibliches Lila getauscht, dazu noch ein Blümchen reingestrickt (chicks dig flowers, right?!) und dem Ganzen noch die entspannen-harmlose Optik einer Kinderbuchillustration gegeben. Bravo. Da hat sich ja mal jemand echt in die Bedeutung des Internationalen Frauentages vertieft!
Auf Twitter hauen mir die vielen Unternehmensaccounts, denen ich folge, einen Weltfrauentagsrabattcoupon nach dem anderen um die Ohren. Ich finde auch das ein bisschen daneben und äußere das auf Twitter:
Als nächstes sehe ich nach, was sich auf Facebook in den letzten Stunden so getan hat, und siehe da: Auch auf FB ist Weltfrauentag! Frohlocket! Die Statusmeldungen dazu teilen sich in die Kategorien „Glückwünsche“, „Wir hängen unser Marketing am Thema des Tages auf“, „Wir tun mal engagiert“ und „random wtfuckery“.
Ich zeige euch mal einen vielleicht nicht gerade repräsentativen Querschnitt, aber zumindest einige (wenige!) der Einträge – und bitte bedenkt, dass ich die zwischen 9 und 10 Uhr gesammelt habe. Da könnte also noch theoretisch noch einiges dazukomme, wenn ich denn in der Praxis Lust hätte, mir das noch länger anzutun. Sehe ich aber nicht kommen.
Calida wünscht allen Frauen einen tollen Tag, zumindest denen, die Calida tragen oder für das Unternehmen arbeiten. Es wird vor allem den Frauen gratuliert, die Bindestriche ablehnen.
Vichy gratuliert all denen, die sich diesen Frauentag verdient haben! Selbstverständlich sind das nur die wunderschönen Vichy-Fans!
Schlicht und schnörkellos: Frauentag? Super, dann kauf was, auf dem ein Frauenname drauf steht! Mit Herz vorne drauf!
Biotherm meint’s gut. Am Weltfrauentag geht es allerdings nicht darum, dass man der Tochter fürs Aufräumen dankt, sondern dass man ihr einen anständigen Lohn zahlt, dass sie die gleichen Rechte wie Männer hat, dass man sie nicht allein deswegen als minderwertig betrachtet, weil sie eben eine Frau ist. Aber klar, sich mal bedanken ist ja fast genauso gut!
Das verlinkte Video: Global Women’s Rights.
Was so toll an der Bild-Aktion sein soll, verstehe ich nicht, das ist sogar als Marketing-Gag brutal lahm. Aber egal.
Meine. Fresse. Es ist kein Geheimnis, dass ich Handtaschen mag – und sogar ich fühle mich von diesem Mist vor den Kopf gestoßen: „Frauen und Handtaschen sind untrennbar verbunden“ …. „Glamour und Taschen kann frau nie genug haben!“ … und dann der Link zum Weltfrauentag mit dem Stichwort Wahlrecht … na gut, wer das Wahlrecht hat, hat sonst kaum noch Probleme, und gleich das nächstwichtigste sind Glamour und Handtaschen. Interpretiere ich da was rein?
Liebes Drachenfels Design & Heartbreaker, du hast nicht genau verstanden, um was es beim Weltfrauentag geht, oder? P.S.: Bitte bemühe in Zukunft ein Rechtschreibprogramm.
Oh, ich weiß nicht, vielleicht weil es so tolle Sachen wie Vergewaltigung, genitale Verstümmelung, Entrechtung, finanzielle Benachteiligung, sexuelle Ausbeutung gibt? Ach, ihr meint mehr sowas wie Nagellack, Lipgloss und High Heels? Sorry. My bad.
Hier könnte ich echt mehr Kotzen als ich heute schon gegessen habe. Das ist ein typischer Fall von „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“.
„Wir Mädels haben Rosen vom Chef bekommen“. Geile Sache. Liebe Jessica, weißt du, wie erwachsene Mädels heißen? Frauen. Wenn du dich als Mädel bezeichnest, brauchst du dich nicht wundern, wenn dich keiner wie eine Erwachsene behandelt. Ich kenne deinen Chef nicht, der ist bestimmt ganz nett, aber ehrlich: Nur weil er euch Mädels mal Blumen schenkt, macht ihn das nicht automatisch zu einem guten Chef. Mein Chef hat mir heute zwar keine Rosen geschenkt, aber er respektiert mich als Mensch und als Mitarbeiterin, und er bezahlt mich anständig. Darüber kannst du mit deinem tollen Blumenstrauß natürlich nur lachen.
Und warum fragst du nach dem Chef, dem Freund oder dem Mann deiner Leserinnen, eurer Kunden? Weißt du, manche Menschen haben sogar Chefinnen! Und manche Frauen haben Freundinnen und Partnerinnen! Dürfen die auch Blumen verschenken? Manche Frauen haben keinen Freund oder Mann! Von wem sollen die ihre Blumen bekommen?
Versteh mich nicht falsch: Blumen sind super, und ich bin sehr für das Verschenken (und noch mehr für das Bekommen!) von Sträußen. Aber es wäre wichtiger, wenn dein Chef dein berufliches Fortkommen und deine persönliche Entwicklung unterstützt, wenn er dafür sorgt, dass du Beruf und Familie unter einen Hut bekommt, dass er sexuelle Belästigung in deinem Unternehmen nicht zulässt … solche Kleinigkeiten eben.
Wusstest du übrigens, dass eine der wichtigsten Aufgaben des Frauentags war, auf das Frauenwahlrecht hinzuwirken? Das durften wir früher nämlich nicht. Das ist dir bestimmt egal, und vielleicht gehst du ja gar nicht mal wählen. Muss man ja auch nicht, wir Frauen verstehen diese Politiksache ja nicht so gut, und es betrifft uns ja auch kaum …
Niedlich an deinem Beitrag finde ich, dass es so rührend naiv wirkt, das mögen wir Frauen ja. Das hast du gut gemacht.
Liebe Grüße,
deine Alexandra (Frau mit Wahlrecht)
Generell würde ich mir auch echt wünschen, die Firmen ließen ihre Accounts von Leuten (vorzugsweise von gut bezahlten Frauen) pflegen, die sich
1. über die Sache kundig machen, über die sie schreiben;
2. rudimentäre Kenntnisse in Rechtschreibung angeeignet haben und diese auch anwenden;
3. ein bisschen Mühe geben, wenn sie solche Anlässe als Aufhänger für ihre Werbung verwenden.
Und hier ist eine sehr schöne, schlichte, für alle Geschlechter verständliche Bilderstrecke von brigitte.de: Frauen in Zahlen.
Um mich abzuregen, mache ich mir jetzt eine Tasse Frauentee.