Ich warne euch, das wird ein enorm langer und weinerlicher Beitrag. Wenn ihr euch das ersparen wollt, hier die Zusammenfassung: Alles Mist. Ich mag nimmer.
In den letzten Monaten und Wochen sind verschiedene Sachen passiert, die mich belasten, gegen die ich aber nichts machen kann. Ich merke gerade, dass ich keine Worte dafür finde, wie sehr mich das zermürbt und ermüdet. Mein Fuß ist vielleicht gar nicht so wichtig, aber ich habe das Gefühl, der ganze Mist hat mit diesem Unfall angefangen.
Im Februar 2012: Fuß zerdeppert. Der Parkplatz, auf dem das passiert ist, gehört zwei unterschiedlichen Wohnungseigentümergemeinschaften, die jetzt die Zuständigkeit hin und her schieben. Natürlich will keiner von denen zugeben, dass auf seinen Flächen nicht geräumt und gestreut wurde. „Und überhaupt“, sagen sie, „warum hat die Frau sich so spät gemeldet wegen irgendwelcher Ansprüche? Und überhaupt räumen und streuen wir immer! Und überhaupt hat sich da noch nie jemand beschwert! Und überhaupt, falls das so glatt war, hätte die das sehen und ein bisschen besser aufpassen müssen!“
Im Sommer 2012: Arbeitsstelle verloren. Das war nicht unbedingt mein absoluter Traumjob, aber der Chef war super, die Kollegen waren nett, ich konnte mit dem Rad oder zu Fuß ins Büro kommen. Ich hatte nach Jahren der Unsicherheit gerade wieder Hoffnung gefasst, dass alles gut wird – dass ich mir endlich ein bisschen Geld ansparen würde (nachdem ich die Kosten für den Umzug von Lampertheim nach Neuburg verkraftet hätte), dass ich mir endlich Katzen anschaffen würde, dass jetzt endlich alles besser würde, irgendwie.
Ich habe direkt anschließend eine neue Arbeitsstelle gefunden, worüber ich sehr froh war. Ich hätte gerne ein paar Wochen Pause gehabt, weil ich seit November 2008 keinen wirklichen Urlaub hatte, immer höchstens eine Woche am Stück. Aber gut, ich war ja im Frühjahr erst zweieinhalb Monate krankgeschrieben, das ist ja praktisch dasselbe wie Urlaub, oder?
Für die neue Arbeit bin ich täglich nach Augsburg gefahren, was mit öffentlichen Verkehrsmitteln überraschend anstrengend und aufwändig ist: In Neuburg zum Bahnhof laufen (knapp 30 Minuten, fußbedingt – anfangs bin ich mit dem Fahrrad gefahren, aber das wurde im August gestohlen), Zug nach Donauwörth, warten, Zug nach Augsburg, Bus zur Arbeitsstelle (in der ersten Woche bin ich zu Fuß gegangen, waren ebenfalls etwa 20 Minuten). Zurück natürlich genauso, nur konnte ich da manchmal mit dem letzten Stadtbus nach Hause fahren. Dann war ich gegen 20 Uhr zuhause. Meistens allerdings hatte der Zug Verspätung, so dass ich zu Fuß nach Hause gehen musste (daheim: etwa halb neun). Sehr oft – und damit meine ich zwei- bis dreimal in der Woche – hatte schon der Zug von Augsburg nach Donauwörth Verspätung, so dass ich den Anschlusszug verpasste. Da kam ich dann durchaus erst mal um 10 Uhr heim. Oder noch später. Soll heißen: Ich war ständig erschöpft.
Ach ja, und teuer war es natürlich auch – ich habe für Bus und Bahn monatlich etwa 250 Euro ausgegeben, was ich mir streng genommen gar nicht leisten konnte.
Im Oktober: Meine Mahnung an meinen Nichtzahlerkunden bleibt erfolglos. Der zahlt nicht, hat nicht gezahlt, will nicht zahlen und wird vermutlich nie zahlen wollen. Zum Glück habe ich ihm einen so unanständig niedrigen Preis gemacht, dass es sich „nur“ um knapp 2.300 Euro handelt. Wenn ich nach dem Empfehlungen des Journalistenverbands gegangen wäre, wäre der Betrag etwas höher … dann hätte ich nämlich etwa 24.000 Euro berechnet, der Verlust wäre also viel größer gewesen! Der Justiziar des BJV ist immer noch dran an der Sache, und ich hoffe, dass sich alles noch irgendwie klärt.
Eine andere Firma meines windigen Nichtzahlerkunden wird übrigens aktuell bei Amazon als supertolle Erfolgsgeschichte beweihräuchert – er hat auf der Amazon-Plattform einen Dirndlversand, der wohl ziemlich gut läuft. Ich vermute, er bezahlt seine Lieferanten diesmal.
Im November 2012: Nerviges Pendeln ist kein Problem mir, weil mir „gekündigt“ wurde. Ich schreibe das in Anführungszeichen, weil ich die schriftliche Kündigung erst Mitte Januar erhalten habe, nach mehrmaliger Nachfrage (!!!).
Verbraucherinfo: Die schriftliche Kündigung braucht man für den Antrag auf Arbeitslosengeld, ohne die geht nix.
Ich hatte also ab 14. Dezember 2012 Anspruch auf ALG I, habe aber erst in der ersten Februarwoche 2013 Geld bekommen, weil ich die Kündigung und die Arbeitsbescheinigung erst so spät erhalten habe. Mein Zeugnis habe ich übrigens im September 2013 erhalten, und dafür musste ich nur mit rechtlichen Schritten drohen.
Versucht ihr mal, der Arbeitsagentur verständlich zu machen, dass ihr keine schriftliche Kündigung habt. Die lassen euch freundlich, aber vollkommen ungerührt an eurer Verzweiflung und Hilfslosigkeit zerschellen. (Falls ihr mal in diese Lage kommen solltet: Ihr könnt die Kündigung einklagen; in der ersten Instanz am Arbeitsgericht braucht ihr keinen Rechtsanwalt, deswegen auch kein Geld). (Diese Info gibt euch die Agentur nicht, weil es denen scheißegal ist und/oder sie es nicht wissen.)
Meine lustigen Erlebnisse mit der Arbeitsagentur habt ihr ja vielleicht verfolgt. Kürzlich sind noch zwei Geschichten dazugekommen.
Geschichte 1: Ich hatte eine Einladung zu einem Vorladungsgespräch in Hamburg, gleich mit Terminvorschlag. Der Termin war für mich etwas zu kurzfristig, ich habe also geantwortet, um einen späteren Termin gebeten und angeboten, ein telefonisches Vorstellungsgespräch zu führen. Das war an einem Freitagnachmittag, am Montag darauf hatte ich gleich morgens einen Termin mit meiner Sachbearbeiterin bei der AA; inzwischen schon meine dritte Ansprechpartnerin. Ich würde gerne wissen, wohin die Leute immer verschwinden.
Ich fragte also, ob ich einen Vorschuss haben kann, weil ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen sei, mir aber weder Fahrt noch Unterkunft leisten könne. Auskunft: Kosten für die Unterkunft werden „in angemessener Höhe“ erstattet, die Kosten für die Fahrt werden bis zu einer Höhe von 130 Euro erstattet. Aber eben nur erstattet, im Voraus bekomme ich kein Geld. Auf meine Frage, wie ich das zahlen solle, weil ich eben kein Geld habe, wird nicht eingegangen.
Zuhause fiel mir ein, dass auf den Anträgen zur Kostenerstattung auch ein Ankreuzkästchen ist: „Ich brauche eine Fahrkarte“. Ich rief also bei der Agentur an. Ich soll Antworten bekommen, verspricht mir die Frau am Telefon. Ich machte mir trotzdem Sorgen: Was soll ich den Hamburgern sagen? „Sorry, kann nicht kommen, kein Geld für Ticket!“? Soll ich mir das Geld leihen, obwohl ich nicht weiß, ob ich das überhaupt erstattet bekommen? Ehrlich gesagt, frage ich mich auch: Wenn ich den Job bekomme, wie soll ich dann den Umzug bezahlen? Und das Leben in Hamburg?
Wie im Hamsterrad.
Um das alles etwas zu raffen: Ich nahm wegen der Sache viermal Kontakt mit der AA auf, um dann am Freitag endlich die Aussage zu bekommen, dass ich die Karte natürlich im Voraus bekommen kann (bekomme allerdings immer noch keine Auskunft, wie das mit den 130 Euro und den tatsächlichen Kosten ist, und ob ich das Geld für die Übernachtung vorher bekommen kann). Für diese Bestätigung hat mich sogar jemand direkt aus Nürnberg angerufen!
Zu diesem Zeitpunkt war das allerdings sowieso egal, weil die Hamburger Firma mir da schon abgesagt hatte.
Geschichte 2: Bei dem Montagmorgentermin bei der Arbeitsagentur eröffnete mir meine Sachbearbeiterin (die mir nach eigener Aussage übrigens absichtlich keine Vermittlungsvorschläge schickt, weil das bei mir ja so ein weites Feld ist, und wenn sie das was Unpassendes schickt, dann müsste ich mich darauf ja bewerben, was ja für mich sinnlos wäre), dass ich ab Mitte Dezember nicht mehr versichert sein werde.
Ich: [Entsetzen und entgleiste Gesichtszüge]
Sie: „Ja, da müssten Sie sich überlegen, ob Sie Hartz IV beantragen, oder ob Sie nicht doch noch ein bisschen Geld daheim rumliegen haben“.
Dann werde ich daheim mal suchen, ob da nicht noch ein bisschen Geld rumliegt. (Spoiler-Warnung: Ich habe kein Geld daheim rumliegen.)
Bei der Maßnahme in der Kolpingakademie (wo, nicht dass wir das vergessen, die Leiterin einen der anderen Teilnehmer mir gegenüber wörtlich als „faule Sau“ bezeichnet hat) wurde mir ja mehrmals nahegelegt, mich doch selbstständig zu machen, damit ich nicht hartzen muss. Ich habe das abgelehnt, und das mit der schlechten Zahlungsmoral der Kunden (siehe oben) begründet. Zwar finde ich nicht, dass ich es besonders begründen muss, wenn ich nicht so ein großes Risiko eingehen will, aber … wurscht. Fakt ist: Ich habe aktuell keinen Plan B.
HA! Wenn ich keine Alternativen habe, heißt das, dass ich alternativlos bin?!
Während ich das hier schreibe, merke ich, dass ich mich gar nicht mehr groß über diese Sachen aufrege. Ich habe einfach nicht mehr die Kraft dazu. Ich erwarte eigentlich gar keine Erfolge mehr.
Ich fühle mich wie in einer großen Pfeffermühle, die mich immer feiner schrotet und mahlt. Jede kleine Hoffnung wird zunichte gemacht, jeder vermutliche Erfolg stellt sich als Falle heraus.
Nicht zu vergessen die ständige Scham (Arbeitslos! Trotz Abi und Studium und Berufsausbildung!) und die Geldsorgen. An Weihnachten beispielsweise will ich mich Freunden treffen, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Ich freue mich darauf, ganz ehrlich. Ich habe aber auch Angst davor, weil es mir peinlich ist, dass ich arbeitslos bin, und ich mache mir schon jetzt Gedanken darüber, wie ich die Bahntickets ins Budget einbaue.
Es ist bei weitem nicht so, dass ich keine Unterstützung im Freundeskreis habe – ganz im Gegenteil. Meine Freunde lassen mich nicht versauern (meine Familie ist ja nicht direkt vor Ort), sie beziehen mich ein, sie besuchen mich, sie laden mich zu Familenfeiern ein als sei es das Normalste der Welt, sie trinken mit mir Tee und verbringen Zeit mit mir, „live“ oder online, zur Not helfen sie mir sogar mit Geld aus.
Es ist nur so, dass ich so ziemlich am Ende meiner Fähigkeit angekommen bin, Hilfe anzunehmen. Ich frage mich, ob ich jemals wieder in der Lage bin, die Unterstützung zurückzuzahlen. Und ja, ich weiß, dass Freundschaften so nicht funktionieren, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal etwas für einen meiner Freunde tun konnte.
Ich nehme und nehme und nehme und nehme, und ich gebe … nix. Ich kann nix mehr geben, weil ich nix mehr habe, nicht mehr äußerlich und greifbar, und nicht mehr innendrin. Ich kann noch nicht mal mehr schreiben – außer darüber, dass ich nicht mehr schreiben kann.
Ich habe Freunde, die selbstständig sind, deren Geschäfte nicht gut laufen, oder die mit ihrem Job oder ihrem Privatleben nicht unzufrieden sind, und ich kann niemandem helfen. Ich bin so zerdrückt von meiner eigenen Situation, dass ich vergessen habe, wie man jemandem zuhört, wie man ermutigt oder tröstet oder hilft.
Ich habe nichts mehr zu bieten, und ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.
Liebe Alex,
fühl Dich bitte ganz fest von mir gedrückt. Ich kann Dir leider nicht viel Trost spenden, aber dass Du Deinen Freunden nichts mehr bieten kannst, stimmt so nicht. Du hast – trotz aller Widrigkeiten – immer noch Deinen Humor. Und Du bist sogar noch in der Lage Geschenke zu machen. Erinnere Dich daran: erst vor Kurzem lag ein Buch von Dir bei mir im Briefkasten! 🙂
Alles Liebe,
Nick