Das. Glaubt. Einem. Keiner.

… außer natürlich Leuten, die selbst schon mal in die Verwaltungsmasse der Arbeitsagentur gefallen sind und Ähnliches erlebt haben.

Aber der Reihe nach. Ihr wisst ja vielleicht, dass ich seit Mitte Dezember des vergangenen Jahres arbeitslos und arbeitssuchend bin. Arbeitssuche ist für mich nichts Neues, ich schüttle inzwischen die Anschreiben nur so aus dem Ärmel. Ich weiß auch, wo ich Stellenangebote finden kann, schon weil ich, wie ihr vielleicht auch noch wisst, schon für ein Unternehmen im Bereich Personalmanagement als Recruiterin gearbeitet habe. Da habe ich allerdings nicht nur Fachkräfte gesucht, sondern auch Firmen und Projekte, um besagte Fachkräfte vermitteln zu können. Eine Garantie dafür, einen guten Arbeitsplatz zu finden, und das vielleicht auch noch schnell, ist das natürlich nicht.

Neulich hatte ich wieder einen Termin in der Arbeitsagentur, diesmal bei einem neuen Berater, Herr X-Y. Der hat mich durchaus beeindruckt, weil er mir nicht einfach irgendwelche „Vermittlungsvorschläge“ ausgedruckt hat, auf die ich mich zu bewerben habe. Er hat vorher auch nachgesehen, wo der Job ist, und ob ich da mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (ich habe kein Auto) da überhaupt hinkomme. Das hat bisher noch keiner gemacht.

Er hat mir außerdem mitgeteilt, dass ich Unterstützung bei der Firmen-Recherche bekommen könne. Ich meinte dann: „Ich glaube nicht, dass mir die Arbeitsagentur dabei helfen kann.“ Das war nicht als Beleidigung gedacht, aber ich hatte noch nie den Eindruck, dass die AA bei so etwas (speziell in meinem Bereich, also Redaktion, Content, Social Media) wirklich gut ist – strukturbedingt, würde ich mal meinen. Bisher war das egal, weil ich selbst Stellenanzeigen suchen und lesen kann, und auch weiß, wie ich mir Firmen suche, bei denen ich mich initiativ bewerbe.

Ich wurde dann dazu gedrängt, das Angebot anzunehmen, weil man sich ja sonst fragen würde, warum ich das nicht annehme (für mich fühlte sich das fast schon nach einer Drohung mit Sanktionen an, aber das kann ich missverstanden haben – ich bin bei solchen Terminen von Haus aus angespannt und deswegen vermutlich nicht objektiv). Und schaden kann es ja nix! Ich habe also eingewilligt und unterschrieben.

Der Termin beim „Bildungsträger“ und der Name meiner Ansprechpartnerin wurden mir direkt mitgeteilt. Zum Glück ist das hier in Neuburg, so dass ich recht problemlos hinkomme. Termin: 21.05.2013, 8:30 Uhr.

Pünktlich stehe ich heute morgen beim „Bildungsträger“ auf der Matte. Irritierend: Durch die Eingangstür kommt man direkt in den Seminarraum. Da war auch prompt schon irgendwas im Gange, mit gut 15 Teilnehmern. Ich frage also etwas verblüfft nach meiner Ansprechpartnerin und bekomme von einer freundlichen, aber ebenfalls verblüfften Dame die Auskunft: „Die ist heute nicht da!“ Ich sage „Ich habe aber einen Termin, heute um 8:30 Uhr!“ Weitere Ratlosigkeit, bis sich aus der Gruppe eine andere Frau erhebt und sich als Vertreterin der ursprünglichen Dame zu erkennen gibt. Ich möge doch bitte noch eine Viertelstunde warten.

Ich warte also vor der Tür und genieße die milde Morgenluft. Mein Wissensstand zu diesem Zeitpunkt: Ich soll da heute um 8:30 Uhr erscheinen, meine Ansprechpartnerin wisse Bescheid, und ich bekomme Tipps zur Arbeitgeberrecherche. Ich bin vorsichtig gespannt.

Kurz vor neun Uhr ist es dann soweit, die Ersatzdame, Frau Y-Z, hat Zeit für mich. Zusammen mit einem weiteren, sehr netten Kandidaten werde ich in die Küche des „Bildungsträgers“ gebeten (da gibt es nur den Seminarraum, die Küche, ein Kämmerchen mit Büromaterial, und das Klo). „Bei uns geht’s heut drunter und drüber, aber das ist eigentlich immer so!“

Ich habe noch Zeit, die schlampig gemachte Broschüre des „Bildungsträgers“ zu lesen und ärgere mich über schlechte Texte, schlechte Rechtschreibung und schlechtes Design. Um viertel nach neun sitzt Frau Y-Z dann endgültig bei uns und teilt Blätter aus. Währenddessen knallen im Seminarraum die Sektkorken, die Stimmung scheint gut zu sein.

Der nette Mann und ich füllen ein Formular aus (persönliche Daten, kurzer Lebenslauf, Kenntnisse etc.; dann spricht sie mit uns und stellt noch ein paar Fragen, was man so suche. Der nette Mann: Stelle als Lagerarbeiter, halbtags, weil er einen schweren Unfall hatte und nur noch halbtags arbeiten kann und außerdem seinen dementen Vater pflegt. Ich: Stelle als Redakteurin, Online-Redakteurin, Content Manger oder Social-Media-Betreuerin, möglichst in der Nähe, weil ich kein Auto habe.

Reaktion von Frau Y-Z auf beides: Luft holen. Betroffen gucken. „Schwierig!“, findet sie.
Aber was bietet uns nun dieser Bildungsträger? Ich kann dort Bewerbungen schreiben und per E-Mail verschicken, ich kann Bewerbungen ausdrucken und verschicken (Papier, Mappen, Umschläge und Briefmarken bekomme ich dort) und ich werde beraten, wie ich meine Bewerbungsunterlagen erfolgsträchtiger gestalte.

„Also Bewerbungen schreiben und verschicken? Also genau das, was ich daheim auch mache?“
„Ja.“
„Haben Sie denn viel Erfahrung in dem Bereich, in dem ich suche? Redaktion, Text, Social Media und so?“
„Nein.“

Der nette Mann und ich füllen nicht nur den zweiseitigen Erhebungsbogen aus, sondern lesen und unterschreiben einen zweiseitigen Vertrag (wir müssen regelmäßig erscheinen und brav mitmachen, dürfen keine pornografischen und extremistischen Internetseiten aufrufen, Papier wird von Dozenten ausgeteilt, und Alkohol ist strengstens verboten in den Räumen des „Bildungsträgers“).

Wir bekommen ein Merkblatt zum Datenschutz, müssen eine Erklärung zum Datenschutz unterschreiben (Träger darf Fotos und Filmmaterial zu Werbezwecken verwenden; ich habe widersprochen). Wir unterschreiben weiterhin, dass der „Bildungsträger“ beim eventuellen Arbeitgeber nachfragen darf, ob wir da noch arbeiten; wir teilen unsere Bankdaten mit und bekommen ein „Fehlzeitenblatt“ und ein „Aktivitätentagebuch“.

Um unsere Daten müssen wir uns keine Sorgen machen, die sind sicher, sagt Frau Y-Z: Unsere Daten werden im Computer gespeichert, das Passwort kennen nur sie und zwei andere. Rückblickend frage ich mich, wer unsere Daten geschützt hat, als alle ausgefüllten Formulare auf dem Küchentisch in der für alle zugänglichen Küche lagen. Hätte ich das nur gleich mal angesprochen, das ärgert mich nämlich jetzt noch.

Frau Y-Z erklärt uns, wie man die Fehlzeitenblätter ausfüllt. Die muss man beispielsweise vom Arbeitgeber ausfüllen lassen, wenn man wegen eines Vorstellungsgesprächs nicht beim „Bildungsträger“ erscheint. Das Aktivitätentagebuch ist in zwei Hälften geteilt: oben wird über den „Kontakt mit dem Bildungsträger“ Buch geführt („21.05.2013: Einführungsgespräch und Vertragsabschluss“), unten listet man die Bewerbungen auf. Man kann ankreuzen, was zutrifft: B für Bewerbung, V für Vorstellungsgespräch, P für Praktikum, S für Sonstiges.

Wir sollen alles eintragen, was überhaupt in die Richtung geht: „Und wenn Sie bei einer Firma anrufen und sagen, Sie haben gehört, dass da eine Stelle frei ist, dann kreuzen Sie V an, weil Sie haben sich ja vorgestellt! Je mehr, desto besser! Dann stehen Sie bei uns gut da, und wir stehen bei der Arbeitsagentur gut da!“

Wir werden nach Bewerbungsunterlagen gefragt, die ich natürlich nicht dabei habe. Wieder Verwirrung! Vielleicht wird das im Einladungsschreiben verlangt? Der nette Mann hat eines, ich nicht. Ich frage, ob ich denn überhaupt erwartet wurde, schließlich schienen alle Mitarbeiter überrascht und unvorbereitet. „Doch doch, wir haben haben schon gewusst, dass Sie kommen, wir waren nicht verwirrt!“

Das Gespräch kommt auf Bewerbungsbilder. Ich habe keine aktuellen Bildert, weil ich mich seit Jahren nicht mehr mit Bild bewerbe, das finde ich vollkommen unzeitgemäß. Frau Y-Z findet das voll wichtig, und es sei bei mir auch total schade, weil ich ja so JUNG UND HÜBSCH sei. Im Verkauf beispielsweise sei ein Bild absolut ausschlaggebend!

Ich wende ein, dass es bei Bewerbungen nicht den einen richtigen Weg gibt, der für alle Bewerber, alle Arbeitgeber und alle Arbeitsstellen perfekt sei. Ich habe selbst schon Ratschläge bekommen, die für mich einfach nicht greifen, weil ich mich nicht für eine Stelle als Bankkauffrau oder Sekretärin bewerbe. „Ich kann selbst abschätzen, was für eine Stelle angemessen ist, und mich entsprechend anziehen. Ratschläge wie ‚Ein Kostüm ist immer passend‘ ist totaler Quatsch!“ Das findet Frau Y-Z nicht und meint: „Seien Sie doch mal kreativ! Mit einer weißen Bluse und einem schwarzen Jackett macht man nie was falsch!“

Das war der Moment, in dem ich komplett die Hoffnung aufgegeben habe, aus dieser Maßnahme etwas Sinnvolles zu erfahren.

[In weißer Bluse und schwarzem Jackett sehe ich aus wie meine Mutter auf einer Beerdigung; ich würde mich darin unwohl fühlen und schon deswegen einen schlechten Eindruck machen. Ich trage nicht gern schwarze Kleidungsstücke, schon gar nicht in Gesichtsnähe, darum besitze ich auch kein schwarzes Jackett. Warum zum Henker wird so ein Geschwätz als guter Rat verkauft? Ich bin 40 Jahre alt und geistig vollkommen in der Lage, mich dem Anlass entsprechend zu kleiden. Ich wäre dazu noch besser in der Lage, wenn ich mir ein Outfit für Vorstellungsgespräche kaufen könnte. Das Geld der Arbeitsagentur wäre für einen Zuschuss für Bekleidung, Friseur und meinetwegen auch Bewerbungsbilder besser angelegt als für diesen Schwachsinn.]

Ich sehe mir die Sache jetzt eine Zeitlang an, aber ich erwarte nicht viel. Eigentlich gar nichts.

Zusammengefasst:

  • Ich darf zweimal in der Woche von 8 bis 12 Uhr und von 12:45 bis 15:45 Uhr beim „Bildungsträger“ am Computer Bewerbungen schreiben und die verschicken. Von jetzt bis Ende August.
  • Ich werde „beraten“ von Leuten, die sich nicht an ihre eigenen Regeln halten und komplett unorganisiert sind.
  • Ich werde dazu angehalten, meine Bewerbungsaktivitäten aufzubauschen, damit der „Bildungsträger“ bei der Arbeitsagentur „gut dasteht“.
  • Mit einer weiße Bluse und einem schwarzen Jackett macht man nie was verkehrt.

Und was ist das größte Ärgernis? Dass diese Bastelbude es sich anrechnen wird, wenn ich während der Maßnahme eine Arbeitsstelle finde.

9 Gedanken zu „Das. Glaubt. Einem. Keiner.

  1. Ganz ähnlich war es bei mir. Ich durfte mir allerdings aussuchen, ob vor- oder nachmittags, sollte dafür aber 3 Tage pro Woche dort Bewerbungen verfassen, die ich sonst zuhause schreiben würde.
    Ich sehe ja ein, dass so eine Maßnahme für Menschen, die keinen Computer haben und damit auch nicht umgehen können o.ä., hilfreich sein kann, aber für jeden anderen ist es doch eher Zeitverschwendung. Hilfe habe ich dort nicht ein einziges Mal gebraucht – was nicht heißen soll, dass ich perfekt bin und schon alles weiß, aber ich kann mit einem PC umgehen, habe meine Bewerbungsunterlagen absolut im Griff und weiß, was ich will. Wenn dann die verantwortlichen Damen und Herren beim Bildungsträger nicht mal wissen, was Tabulatoren sind… herrje.
    Über die Methoden des Arbeitsamtes und seiner Bildungsträger lassen sich ohne Zweifel ganze Romane verfassen – das Ende vom Lied ist jedenfalls, dass ich mich dank meines Partners vom Amt verabschieden konnte, dem Steuerzahler nicht mehr auf der Tasche liegen und mich vor dem Staat nicht ständig entblößen muss.
    Ich wünsche Dir viel Glück und hoffe, dass es Dir wider Erwarten doch noch was bringt!

  2. Grundgesetz
    I. Die Grundrechte (Art. 1 – 19)

    Artikel 1

    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

    Was würde wohl passieren, wenn Du der Dame von der Arbeitsagentur damit kommst? Vollständige Verwirrung?
    Es gibt Dinge, die sind vom Staat so gewollt. Sie sind absolut offensichtlich, wie z.Bsp. das ALG II, so unsozial und ausgrenzend wie es nur geht…aber niemand tut etwas dagegen. Weil die Lobby fehlt.

    Mein Tip in Deinem Fall: Krankschreiben lassen und weiter von zu Hause aus bewerben.
    Oder was in meinem Naturell liegt und was ich sofort machen würde: diese Damen sowas von vorführen. Ich würde sie den Wissensunterschied spüren lassen.
    beste Grüße,
    K.

  3. Liebe Alex,

    ich habe folgenden Vorschlag: Blogge weiterhin Deine Erlebnisse mit dem Bildungsträger und der Arbeitsagentur und veröffentliche das Ganze dann in Buchform. Das wird sicherlich ein Bestseller und damit sind dann sämtliche finanzielle Probleme ebenfalls gelöst. Kopf hoch!

  4. Woher kenn ich das nur? Achja, hatte das gleiche. Und das 3 mal. Das erste mal im JobCenter direkt, 2 Wochen, vormittags. Das zweite mal 3 Monate beim „Bildungsträger“, 8 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche. Stupide Bewerbungen schreiben. Und das dritte Mal 6 Monate, 2 Tage in der Woche vormittags. Aufgelockert mit Gruppenseminaren zu Vorstellungsgesprächen, Konfliktlösung usw.. Und bei allen drei sagte man mir meine Bewerbungsunterlagen sind top.

    Achja. Beim ersten Mal im Job Center hatte ich meine Daten verschlüsselt auf Stick. Durfte nochmal nach Hause das rückgängig machen. Windowskisten wollen Adminrechte zum entschlüsseln 😉 Beim zweiten und dritten hab ich dann meinen Laptop benutzt, da ich sonst meine ODT nicht öffen konnte. Zudem war die Kiste eine lahme Krücke.

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