Weltfrauentag.

Heute ist Weltfrauentag. Internationaler Frauentag. Oder, ganz offiziell, Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden.

Die Meinung scheint allgemein dahin zu gehen, dass der Weltfrauentag so etwas ähnliches ist wie der Muttertag – nur eben für Frauen ohne Kinder bzw. Berufstätige. Das ist natürlich Schwachsinn. Heute erinnert der Frauentag uns vor allem an die Bemühungen um die Gleichberechtigung und den Kampf um das Wahlrecht für Frauen.

Wie der Feminismus an sich erscheint uns das heute ein bisschen unnötig und veraltet, oder? Schließlich darf bei heutzutage jede Frau wählen, sogar in vielen den zurückgebliebensten Bananenrepubliken, in Ländern der dritten Welt, in Schwellenländern, sogar in der Schweiz!, und gleichberechtigt sind wir doch auch alle, oder?

Nein. Das erscheint euch vielleicht so, wenn ihr Männer seid, aber wir Frauen, wir wissen, dass wir noch lange nicht gleichberechtigt sind. In keiner Hinsicht.

Wir stellen 51% der Bevölkerung, aber wir sind weder in Politik noch in Forschung, Wirtschaft oder in den Medien auch nur in annähernd angemessener Zahl vertreten. Und nein, ich will hier keine Diskussion darüber haben, ob wir selbst daran schuld sind oder nicht.

Wir verdienen weniger. Wir werden häufiger das Opfer von Sexualstraftaten als Männer. Medikamente werden nicht auf unseren Bedürfnisse zugeschneidert, sondern für den männlichen Organismus entwickelt und an Männern getestet. Ich hoffe inbrünstig, zumindest die Pille ist die Ausnahme davon.

Bei privaten Krankenversicherungen war es jahrelang üblich, von Frauen höhere Beiträge zu erheben, weil sie nicht nur so teuer schwanger werden und entbinden, sondern weil sie auch noch ganz frech eine höhere Lebenserwartung haben. Als Strafe für dieses sozialteure Fruchtbarkeitsgeprotze dürfen Schwangere und Mütter aber davon ausgehen, dass sie nach der Geburt eines Kindes ihre Arbeitsstelle verlieren oder zumindest Abstriche bei Position und Gehalt machen dürfen.

Gleichberechtigung sieht anders aus, finde ich. Und da braucht mir auch keiner kommen von wegen weiblicher Bundeskanzlerin – Pakistan ist ja auch nicht die Vorhut der Frauenrechtsbewegung, und da war noch lange vor Angela Merkel eine Frau Regierungschefin.

Vor wenigen Tagen habe ich auf meiner bevorzugten Klatschseite im Internet Photos von Daniel Craig, als Frau verkleidet, gesehen. Es waren Standphotos von diesem Video:

Eins schönes Filmchen, obwohl ich nicht weiß, was James Bond und Daniel Craig darin zu suchen haben. Hoffentlich bekommt das Thema so zumindest ein bisschen mehr Aufmerksamkeit. Schön auch die Kommentare in der Art von „Aber Männer werden auch vergewaltigt! Denkt denn keiner an die Männer?!“ Ich habe sie nicht alle gelesen, weil ich keine Lust auf Kommentare zu Daniel Craigs Leistung als Frau zu lesen, sprich: Ist er eine schöne Frau? Weil eine Frau nur dann was wert ist, wenn sie schön ist. Klar.

Ich wollte euch heute eigentlich einen knallhart durchrecherchierten Blogeintrag hinlegen, mit Zahlen und Beweisen und Belegen. Aber wisst ihr was? Ich scheiß drauf. Ich erzähle euch, wie es für mich aussieht.

Ich war 11, als mir zum ersten Mal ein Junge an den Busen grabschte. Nein, ich wollte das nicht, und ich habe es auch bestimmt nicht darauf „angelegt“. Ich wusste, dass das nicht okay war, aber wenn ich es jemandem erzählte, kam darauf eine von exakt zwei Reaktionen:

Naja, so sind Jungs halt!

oder

Wehr‘ dich halt!

Was ich daraus gelernt habe: 1. Jungs sind halt so! 2. Ich bin eigentlich selber schuld, weil ich mich nicht gewehrt habe.

Als ich 16 war, hatte ich einen Ferienjob in einer Fabrik bei uns im Dorf. Mein Vorgesetzter kam jeden Nachmittag vorbei, lehnte sich von hinten an mich und streichelte meine Haare. Das gefiel mir nicht, aber ich wusste nicht, wie ich es höflich sagen sollte, schließlich war ja nix dabei, er hat ja nur meine Haare gestreichelt. Ich habe es keinem erzählt, weil ich sicher war, niemand würde verstehen, warum das so schlimm für mich war. Naja, aber Männer sind halt so, und ich hätte mich ja wehren können. Selber schuld.

Im Studium habe ich oft eine Freundin besucht, die am anderen Ende der Stadt wohnte. Auf dem Heimweg hatte ich die Wahl: Auf der hell beleuchteten Straße nach Hause laufen, oder durch den unbeleuchteten Hofgarten abkürzen – was 20 Minuten kürzer war.

Ich bin faul, deswegen bin ich meist durch den Hofgarten gelaufen. Oft habe ich dabei geweint vor Angst, und weil ich genau wusste: Sollte ich vergewaltigt werden, dann würden alle sagen: Die hat’s ja drauf angelegt. Wär sie halt nicht durch den dunklen Hofgarten gelaufen.Selber schuld.

Das war etwa zur gleichen Zeit wie die Unterhaltung mit einem Nachbarn, der meinte, es sei doch schade, dass das gute Studium an mich so verschwendet sei – als Frau würde ich doch später eh lieber eine Familie haben als einen Beruf auszuüben.

Während meines Volontariats hat mich dann ein Interviewpartner belästigt. Auch da wusste ich nicht, wie ich mich wehren soll – ich bin dann einfach immer weiter von ihm weggegangen, ich wollte ja auch nicht überreagieren.Will man ja nicht. Und außerdem bin ich klein und dick, ich sollte geschmeichelt sein von männlicher Aufmerksamkeit!

Er hat mich dann gefragt, ob ich bei meinem Freund auch so zickig wäre.

Ich habe es meiner Chefin erzählt, und weil wir noch mehrere Termin mit dem Typen hatten, hat sie meinen Kollegen hingeschickt. Ich bin ihr noch heute dankbar dafür, dass sie wenigstens nichts in der Art gesagt hat wie „Ach, das dürfen Sie nicht so ernst nehmen!“ oder „Das haben Sie bestimmt falsch verstanden!“.

Später habe ich dann für Chefs gearbeitet, die einfach davon ausgingen, dass ich mich gerne um Spülmaschine und Toilettenpapier kümmere (Schließlich bin ich eine Frau. Der Wunsch, sich den Arsch nicht mit der Hand abzuwischen, entspringt ja bekanntermaßen dem Eierstock.), oder die mir direkt ins Gesicht sagten, dass sie lieber einen Mann eingestellt hätten, aber Männer mit meiner Qualifikation sich nie mit so wenig Geld zufrieden geben würden.

Ich glaube ja nicht, dass ich Vollidioten unter meinen Lesern habe, aber falls sich doch einer hierher verirrt hat: Nein, es ist nicht schmeichelhaft, wenn man von fremden Menschen angefasst und belästigt wird. Ich nehme an, es wäre noch nicht mal dann schmeichelhaft, wenn es um Sex ginge, aber es geht um Macht, und es geht darum, dass Männer glauben, nein, dass Männer wissen, dass sie damit durchkommen.

Spätestens beim Gehalt greift auch das „schmeichelhaft“-Argument nicht mehr. Da sollte auch der größte Depp einsehen, dass das nicht in Ordnung ist.

Solange ihr euren Söhnen nicht erklärt, dass es falsch ist, Mädchen einfach anzufassen, dass Vergewaltigung nicht einfach nachdrücklicher Sex ist, dass Vergewaltigung gar kein Sex ist, solange ich allein die Verantwortung dafür trage, dass jemand an mir ein Verbrechen verübt, solange die Tatsache, dass ich eine Frau bin, mich zu schlechterer medizinischer Versorgung verdammt,  solange ich für meine Arbeit weniger Geld verdiene als ein Mann verdienen würde, solange brauchen wir nicht so tun, als hätten wir mehr als nur die grundlegendsten Foderungen der Gleichberechtigung erfüllt.

Aber es wäre schön, wenn der Weltfrauentag wirklich irgendwann veraltet und unnötig wäre, eine Erinnerung an dunklere Zeiten. Leider wird das keiner von uns noch erleben.

 

Ein Gedanke zu „Weltfrauentag.

  1. Liebe Autorin,
    ich glaube, das ist der weitaus beste Artikel, den ich je in meinem kurzen Leben gelesen habe.
    Die Zahlen und Daten sind überhaupt nicht nötig, denn der Nachdruck ist nicht zu überlesen.
    Alle Achtung, guter Artikel!
    Beste Grüße.

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